Montag, 2. April 2012

In Concert # 29: Nils Frahm / Ólafur Arnalds, 29.3.2012, Posthof, Linz

Gibt es ihn eigentlich noch, diesen Nullerjahre-Hype um die Atlantikinsel Island, diese Begeisterung für Natur und Kultur, für die gesamte isländische Lebensart? Trotz des dortigen Neoliberalismus-induzierten Wirtschafts- und Bankencrashs und der stark angestiegenen Arbeitslosenrate?

Bei Ólafur Arnalds jedenfalls scheint der Isländer-Bonus noch nicht ganz verflogen zu sein. Gemeinsam mit Nils Frahm gelang es ihm letzten Donnerstag, den Posthof praktisch auszuverkaufen. Den Mittleren Saal zwar, aber immerhin: da gehen mit Sitzplätzen auch gut dreihundert Leute rein. Dabei kann man nicht behaupten, dass es sich bei dem Gebotenen um die gängigste Kost handeln würde. Die beiden Pianisten versuchen sich nämlich an einer Vermengung von klassischer Klaviermusik mit Pop und Elektronik. Diese Crossover-Musik ist ein romantisch-versunkenes Dahinperlen über die Tasten des Klavieres, begleitet von Verstärkertechnik und elektronischen Effekten.

Ein gewisse musikalische Herausforderung, besteht doch die Gefahr, dass das Unterfangen in einem uncanny Bereich endet, wo es nicht Klassik ist, nicht Pop, aber auch (noch) nichts wirklich Eigenständiges darstellt. Nils Frahm, ein grundsympathischer Berliner, ist leider noch eher in diesem Bereich zu verorten. Er arbeitet mit Phrasen, die man aus romantischen Klavierstücken kennt und die er auf gedämpftem Klavier serviert, hinzu fügt er Synthetisches. Wirklich Spannendes kommt dabei aber nicht heraus. Immerhin muss man ihm jedoch Könnerschaft sowie die ehrliche Suche nach dem schönen Klang attestieren. So hört es sich dann auch an.

Bereits bei Frahms letztem Stück am Donnerstagabend gesellte sich Ólafur Arnalds dazu und lieferte sich mit  ihm und dem Piano einen im gegebenen Kontext fast schon orgiastischen Dreier. Ólafur Arnalds: ebenfalls hochsympathisch, witzig und unterhaltend zumal. Er beginnt seinen Auftritt mit einem Experiment. Arnalds nimmt einen vom Publikum im Chor gesungen Ton auf, freut sich öffentlich, dass die Österreicher im Vergleich zu anderen europäischen Völkern so musikalisch seien (ich habe selbstverständlich den Mund gehalten), führt das auf Mozart zurück und legt den Gesang seinem ersten Stück zugrunde. Danach tauchen wir immer tiefer ein in die eigentümliche Soundwelt des Ólafur Arnalds. Nach weiteren Solopianostücken gesellen sich ein Violinist und eine Cellistin zu ihm. Es entfaltet sich eine geradezu Zeitlupen-artige Musik. Zwischendurch erscheint es mir fast, als beobachtete ich drei Personen die am Grund des Meeres versuchen, ihre Instrumente zu bedienen, so getragen sind ihre Bewegungen. Nur, dass das Wasser die Musik ist, die uns nun alle einhüllt, wenn es nicht überhaupt ein ganz anderer Aggregatszustand ist, zu dem hier alles verformt wird. Von derartigen Trips erweckt uns der Isländer aber immer wieder mit seinen Zwischenbemerkungen, wenn er mit Selbstironie die in der Regel gänzlich unmystischen Entstehungsbedingungen seiner Stücke schildert. So erfahren wir, dass sein größter Hit ganz profan dem Kompositionsauftrag für einen Badezusatz zu verdanken ist (und nicht, wie er neckisch anmerkt, der Inspiration durch die märchenhafte isländische Natur).

Sicherlich, Arnalds´ Musik schrammt in ihrer ausproduzierten Studioversion (s. Link oben) zuweilen knapp  an der Kitschgrenze vorbei. Live wird die Vermengung der Elemente in ihrer ganz langsamen Dynamik aber auf jeden Fall zu einem runden Ganzen. Sehr schön.

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